Schon wieder BIO,
dachte Andrea. Ich hasse dieses Fach. Keinen Menschen interessiert die
Funktion des Fußes zumal wir den Menschlichen Körper schon mal vor 2
Jahren durchgenommen hatten. Frau Wolfinger, die Lehrerin, war mal
wieder in ihrem Element. Sie erzählte und erzählte. Gelangweilt schaute
Andrea zu ihrer Tischnachbarin Zora. Zora war ein echter KRUFTI, weiß
geschminkt, schwarzer Lippenstift, schwarz lackierte Fingernägel, usw.
Eigentlich saß Zora immer alleine da niemand mit ihr zu tun haben wollte
aber hier im Bio-Raum war zu wenig Platz und so war Andrea heute
gezwungen neben Zora zu sitzen. Eigentlich wußte sie recht wenig über
Zora, nur das diese allein mit ihrer geschiedenen Mutter lebte und darum
wahrscheinlich tun und machen konnte was sie wollte.
Heute hatte Zora wieder diesen ekeligen schwarzen Rollkragenpullover an,
der aussah als währe er drei Jahre nicht gewaschen worden. Anscheinend
trug sie den jeden Dienstag. Andrea erinnerte sich jedenfalls sie bis
jetzt immer so gekleidet in BIO gesehen zu haben. Sie wollte sich schon
gelangweilt abwenden als sie meinte etwas hätte sich am Kragen des
Pullovers bewegt. Etwas mit haarigen Beinen bewegte sich dort. Jetzt
konnte Andrea es richtig sehen, es war eine Vogelspinne die langsam und
vorsichtig aus dem Kragen von Zora hervorkroch. „Du hast da eine Spinne“
schrie Andrea angewiedert! „Das ist Viola“ zischte Zora zurück, „und
wehe du erschreckst sie“
Frau Wolfinger war auf die Mädchen aufmerksam geworden und hatte ihren
Redefluß unterbrochen. Sie ging zu den Mädchen und erkundigte sich warum
sie den Unterricht störten. „Zora hat eine Vogelspinne mitgebracht“
sagte Andrea mit zitternder Stimme und zeigte auf Zora‘s Kragen. „Kannst
du mir erklären was diese Spinne in meinem Unterricht soll“, fragte Frau
Wolfinger mit beherrschtem Ton.
Eigentlich bekam Zora ja nie den Mund auf aber heute war das anders. Sie
fing munter an zu erzählen.
Das, sie deutete auf die Vogelspinne, ist Viola. Sie hilft mir bei
meinem kleinen Rattenproblem und da sie sich meinen Dienstag-Pulli als
Schlafplatz erkoren hat, wollte ich sie heute Morgen nicht wecken und
hab den Pulli einfach langsam und vorsichtig angezogen.
Auf den fragenden Blick von Frau Wolfinger fuhr sie fort.
Sie wissen doch noch das mir vor einem halben Jahr verboten wurde meine
beiden Ratten Georgina und Miriam mit in die Schule zu bringen?
Als Frau Wolfinger nicht antwortete, erzählte Zora einfach weiter.
Jedenfalls war Georgina wohl mehr ein Georg den nach einiger Zeit hatte
ich 10, dann 28 und bei 54 Ratten hab ich aufgehört zu zählen. Da mein
Zimmer für all die Ratten, so niedlich sie auch sind, und für mich zu
klein wurde habe ich mir von einem Freund eine Schlange besorgen lassen.
Er versicherte mir das sie nur ein wenig giftig sei, also für Menschen
ungefährlich, aber für Ratten auf jeden Fall ausreichend. Auch würden
sich Ratten durch die Gegenwart der Schlange nicht mehr so schnell
vermehren. Das ging auch alles prima. Die Schlange hat zwar meine
Bettdecke als Schlafplatz eingenommen und mich immer angezischt wenn ich
ins Bett wollte, aber ich habe dann einfach die Bettdecke auf dem Boden
plaziert und mich mit meiner Sommerdecke zugedeckt. Vor sechs Wochen
aber, hatte meine Mutter wohl die verrückte Idee, sie müsse mal wieder
mein Zimmer aufräumen. Jedenfalls als ich mittags von der Schule kam lag
meine Mutter irgendwie so verkrümmt und mit weit offenen Augen vor
meinem Bett. Die Schlange hatte sich auf ihr zusammengerollt und zischte
mich dauern an. Anscheinen war die Schlange doch etwas giftiger als mein
Freund angenommen hatte. Jedenfalls ging mir das Gezische auf die Nerven
und ich hab der Schlange mit einer meiner Macheten, die ich ja seit
Jahren sammele, einfach den Kopf abgeschlagen. War auch gar nicht so
viel Schweinerei, eine Schlange blutet nur ganz wenig.
In der Klasse war es so still geworden daß das schwere Atmen von Frau
Wolfinger, die sich mit wackeligen Beinen an einem Tisch abstütze, so
laut wie Donnergrollen zu hören war. Zora erzählte munter weiter. Ich
hab die Schlange dann einfach in einem Müllbeutel entsorgt, kein
Problem. Mit meiner Mutter war das schon schwieriger. Sie war so schwer,
ich konnte sie einfach nicht aus meinem Zimmer ziehen. Na ja, ich hab
dann einfach ein Paar Wochen im Schlafzimmer meiner Mutter geschlafen
und bin nur in mein Zimmer um mich umzuziehen. Also bei diesem Problem
waren die Ratten sehr Hilfreich.
Zora strahlte richtig als sie weiter berichtetet.
Ich konnte ja jeden morgen wenn ich in mein Zimmer ging den Fortschritt
begutachten. Was soll ich sagen, nach 14 Tagen schon waren nur noch die
Knochen und die Kleider übrig. Die Kleider hab ich dann zum Müll
gebracht und die Knochen..... Sie haben ja den Schädel gesehen den ich
vor 14 Tagen zum Unterricht mitbrachte. Ups! Also gut ich hab gelogen,
der Totenschädel war nicht aus Kunststoff und ich hab ihn nicht im
Internet ersteigert. Aber sehen sie sich mal diese Fußknochen an!
Sie hielt Frau Wolfinger das heute zum Unterricht mitgebrachte
Fußskelett entgegen und strahlte..
Kein Stückchen Fleisch noch Blut daran. Ganz sauber abgenagt.
Das war der Moment in dem Frau Wolfinger mit einem letzten Seufzer
einfach Ohnmächtig zusammenbrach und alle anderen, außer Zora, schreiend
das Klassenzimmer verliesen.
Viola die Vogelspinne war durch das schreien oder die plötzliche viele
Bewegung um sie herum etwas aufgeregt und kroch ziemlich schnell am Arm
von Zora herunter. Zärtlich streichelte Zora ihre Viola.
„Nicht aufregen Viola“
sagte Zora, „Menschen sind manchmal etwas eigenartig“!
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